Rita Kiehnbaum
 
 

                                                   Übersetzungen
 
 
 

          aus:

Political Verse and Song from Britain and Ireland. Edited by Mary Ashraf. Seven Seas Publishers, Berlin 1975

The Penguin Book of Modern African Poetry. Edited by Gerald Moore and Ulli Beier, London 1984

The Penguin Book of Southern African Verse. Edited by Stephen Gray, London 1989


1975 bekam ich die wunderbare Sammlung von Mary Ashraf "Political Verse and Song from Britain and Ireland". Einige der Lieder gefielen mir so sehr, daß ich beim Lesen der Texte dachte: "Wie schade, daß man das nicht so ins Deutsche übertragen kann, daß noch mehr Menschen daran Freude empfinden und auf diese Sammlung aufmerksam werden!" Trotzdem ließen Tonfall und Anliegen der Lieder den Wunsch, es wenigstens zuversuchen, immer unabweisbarer werden. Manche sang ich zuerst nach einer Melodie, die ebenso einfach wie zauberhaft aus dem Text selbst kam, bevor Satz für Satz, Wort um Wort meiner Muttersprache sich der Melodie fügte und dem Inhalt zu dienen begann.
Aber immer war es zum Schluß der Kampf mit dem Engel.



 

George Wither (l588-1667)
 
 
 

Solang mir meine Arbeit stärkt den Sinn
Hab ich, was nötig, weiterhin
Und wenn es dann zu End, auch ohn' Verlangen
Gilt es, den Streich des Todes zu empfangen
Beil oder Strick (was hilft es groß -
s' ist eigentlich Verbrecherlos)
Verhungern oder jene Plagen
Die meist den Leib zum Schluß zernagen:
Weil uns vor Schande graut, solang wir leben,
Vor schändlich Sterben innerlich wir beben
Die Menschheit teilt mit mir dies herbe Weh
Und jeder trägt daran - wie ich einst geh

 



 

William Soutar (1898-1943)
 
 
 

Wir treiben zu auf wild're Zeit
und tief'ren Dunkels Not.
Welch Zeichen gibt uns dann Geleit,
wenn Mitternacht schwarz droht?

Was sichert, wenn wir müde irr'n
an wasserlosem Strand:
Wes Führung wird uns nicht verwirr'n
durch Blut an Leib und Hand?

Schreit einer : "Bruder!" unverzagt,
antwort mit aller Kraft ;
dann strahlt ein Stern, als ob es tagt,
der einen Weg euch schafft.


 



 

Leslie Daiken (1912-1964)

 
 
 
 
Heimweh im Herbst
 

Insel aus Schatten
Fäden so fein
Maus in der Wiese
Holzapfelwein

Sonne im Dornbusch
Schaukelnder Pram
Und Treiben der Wespen
gelb überm Jam

Birnen, süß, hängen
reif, willig zum Fall
und Liebchen fädelt Pilze
dort in Donegal

Star jeden Abend
Hänfling am Tag
Käuzchen -wie Grille-
bei Mond schreien mag

Insel aus Schatten
Fäden so fein
Sind Sichel und Hammer
irgendwann dein?

Melonen und Nüsse,
von Menschenhand
aufgehäuft, liegen
am Straßenrand


 



 
 

AGOSTHINO NETO (Angola)
 
 
 

WIR MÜSSEN ZURÜCK
 

In unsere Häuser, an unsere Arbeit
zu unseren Stränden, auf unsere Felder.
Wir müssen zurück

In unsere Länder
Rot vom Kaffee
Weiß von Baumwolle
Grün vom Mais.
Wir müssen zurück

Zu unseren Bergwerken mit Diamanten
Mit Gold, Kupfer und Erdöl.
Wir müssen zurück

Zur Frische des Feigenbaums
Zu unseren Legenden
Unseren Rhythmen und Feuern.
Wir müssen zurück

Zu Trommel und Daumenpiano
Zum Aufruhr des Karnevals:
Wir müssen zurück

Zum fairen Angola
Unserem Land, unserer Mutter:
Wir müssen zurück

Wir müssen zurück
Zum befreiten Angola -
Angola. Unabhängig.


 



 
 

EUGENE MARAIS (Südafrika)
 
 
 

"HIER HEBBEN WIJ GEEN VASTE
VERBLIJFPLAATS"
 

Ich habe mein Haus auf Felsen gebaut
Meine Arbeiter sind mir treu und vertraut
Ich pflanzte einen Wald, es wächst jeder Baum
Ich machte aus Wüste für Rosen einen Raum
Mit Blumen und Bäumen von nahe und fern
Aus tropischer Wärme und vom nördlichen Stern
Mach immer noch weiter und brauch nicht viel Ruh
Und schaue doch gern dem Wunder zu:
Was um mich her wächst, erhaben und fein
Befestigt mit Stahl und zeitlosem Stein
Erst wenn alles getan, leg mein Werkzeug ich fort.
Mag der Tod mich dann holen von diesem Ort.


 



 
 

MUKULA KADIMA-NZUJI (Zaire)
 
 
 

SEEZAUBER. Moando Küste
 

Stöße von Schwindelgefühl
Meine Wellen. Meine Ängste vor dem Ozean
Auf dem salzigen Strand meines Verlangens

Anprall sinnlicher Träume
Meine vielen verlorenen Kliffe
In bitterer Abwesenheit
Von Kraft bis zum Ende der Gischt

Meiner Trunkenheit verlorene Blütenpollen
Mein gebundenes und gelöstes Seegras
Milchstraße meiner Bestimmung

Und ich erfahre
gebeugt über der jungfräulichen Schlaflosigkeit
Von Hoch und Tief
Den wilden Schrei der See
Und das rauhe Zurückschwemmen meines Seins


 

 
BREYTEN BREYTENBACH (Südafrika)
 
 
 
TESTAMENT EINES REBELLEN

gib mir eine Feder
damit ich zu singen vermag
daß Leben kein Wahn ist
gib mir eine Weile
offen in die blauen Augen des Himmels zu sehn
wenn der Pfirsichbaum ausstößt seine Fülle von Licht:
eine Alleinherrschaft geht nieder zur Erde
laß Mutters Wehklage
laß den Atem stocken
verdorren den Leib
wenn zum Ende der Brandpfahl alles Weitere ausschließt

gib mir eine Liebe
die nie verdirbt in meinen Händen
gib mir eine Liebe
die der gleicht, die ich geben möchte

gib mir ein Herz
das weiterschlägt
stärker schlägt als der weiße Schlag
einer gequälten Taube in der Finsternis
lauter als bittere Schüsse

gib mir ein Herz, eine winzige Blutfabrik,
zu versprühen
Blüten der Seligkeit
denn Blut ist süß und schön
ist niemals nutzlos und vergebens

ich wünsche zu sterben bevor ich tot bin
während mein Herz noch stark ist und rot
unverdunkelt von den schwarzen Sedimenten des Zweifels

gib mir zwei Lippen
und helle Tinte für meine Zunge
die Erde zu überziehen mit einem wilden Liebesbrief
geschrieben mit Milch

süßer werdend von Tag zu Tag
heraustreibend alle Bitternis
süßer brennend, sommerlich

dann laß den Sommer kommen
ohne Blendung und Gier
laß den Pranger von Pfirsichbaum dauerhaft sein
hervorbringen seine roten Früchte

gewähre mir ein Liebeslied
für meine Liebste, meine Satisfaktion
daß ich singen kann von meinem Ursprung
daß das Leben nicht sinnlos war
denn wenn ich auch sterbe in die offenen Augen hinein
niemals wird sterben mein tiefrotes Lied



 

AGOSTHINO NETO
 
 
 

LEBEWOHL IM MOMENT DER TRENNUNG

Meine Mutter
(oh, schwarze Mütter, deren Kinder fortgegangen sind)
Du lehrtest mich, zu warten und zu hoffen
Wie Du es getan hast durch all die schrecklichen Jahre

Aber in mir
Hat das Leben diese rätselhafte Hoffnung getötet

Ich warte nicht mehr
Ich bin es, der erwartet wird

Die Hoffnung sind wir
Deine Kinder
Einem Schicksal entgegenfahrend, das Leben möglich macht

Wir, die nackten Kinder des Buschsanzales
Knirpse ohne Schule, die mit Bällen aus Lumpen spielten
Auf den Plätzen in der Mittagspause

Uns selbst
Feilbietend, unser Leben zu verbrennen auf den Kaffeefeldern
Unwissende schwarze Menschen
Die Respekt haben vor dem weißen Mann
Und den reichen fürchten müssen
Wir sind Deine Kinder aus den heimatlichen Quartieren
Die von Elektrizität nie erreicht werden
Männer, sterbend im Suff
Verlassen im Rhythxcymus der Todestrommeln
Deine Kinder
Die hungern
Die dursten
Die sich schämen, Dich Mutter zu nennen
Die sich fürchten, über die Straße zu gehn
Die sich fürchten vor den Menschen

Es sind solche wie wir
Die die Hoffnung auf Leben zurückerkämpft haben


 



 
 

CHRIS VAN WYK (Südafrika)
 
 
 

DER GRUND
 

Der Grund warum
Mörder und Diebe
So leicht
Statuen werden
Und zu Monumenten gemacht
Ist
Sie hatten schon immer Augen aus Granit
Ihre Herzen waren
Von Anfang
Aus Stein


 

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